Mit dem Hack’n’Slay-Action-RGP Drakengard 3 geht die Videospielserie Drag-on Dragoon, hierzulande Drakengard genannt, in die dritte Runde. Anlässlich des zehnten Geburtstags von Drakengard hat Creative Director Yoko Taro große Teile des ehemaligen Cavia Teams (Drakengard, NieR Replicant & Gestalt) zusammengetrommelt um unter dem Banner von Access Games (Ace Combat, Deadly Premonition) ein weiteres traumatisierendes Spielerlebnis der Hauptreihe zu entwickeln. Im Gegensatz zu Drakengard 2 wurde Drakengard 3 also wieder von dem Originalteam entwickelt, welches einst auch die verstörende und erfrischend verrückte Welt von Drakengard auf Playstation 2 brachte. Damit steht einem ebenso verstörenden Spielerlebnis auf Playstation 3 also nichts mehr im Wege. Ob es sich dabei um ein verstörend schreckliches oder ein geniales Spielerlebnis handelt, erfahrt ihr hoffentlich, wenn ihr weiterlest.
In Drakengard 3 übernehmen Spieler die Rolle der psychopathischen und vulgären Zero, welche drauf aus ist, alle ihrer jüngeren Schwestern zu ermorden. Da die stolze Familie aus insgesamt sechs Schwestern besteht, stehen also fünf auf ihrer Abschussliste. Zero und ihre Schwestern sind Intoner – singende Göttinnen, welche hohen Respekt unter der Bevölkerung und vor allem unter ihren Truppen genießen, denn mit der Macht ihres Gesanges brachten sie Frieden und Wohlstand in das einst von brutalen Herrschern unterdrückte Land. Begleitet wird Zero bei ihrer blutigen und brutalen Geschwisterjagd von dem Baby-Drachen und Hobby-Pazifisten Mikhail. Im Verlauf der Geschichte stehen Zero zudem noch weitere Begleiter im Kampf und Bett zur Seite, wobei der Eine schräger als der Andere ist. Neben dem offenbar sexsüchtigen alten Mann Octa, welcher sich damit brüstet „den Längsten unter den Aposteln“ zu haben, gesellen sich noch der extreme Masochist Decardus, der das Gemetzel liebende (Und in der japanischen Version noch minderjährige) Dito sowie der chronische Lügner Cent.
Die Story von Drakengard 3 präsentiert sich bemerkenswert anders und dies auf eine groteske und stellenweise sehr humoristische Art und Weise. Oftmals wird das heitere Morden durch zum Teil typisch japanischen Humor unterbrochen. Die pikante Mischung aus Brutalität, Dramatik, Humor und sexuellen Themen machen Drakengard 3 zu einem Spiel, das sich in Thema und Story deutlich von anderen Vertretern seiner Art abhebt und ebenfalls wie sein Vorgänger Drakengard auch vor Tabuthemen nicht lange Halt macht. Gebremst wird diese Zügellosigkeit leider von der Zensur. So musste das Alter des Apostels Dito für die westliche Version angepasst werden und Octas kleine Märchenstunde über den Verkehr mit Pferden wurde zu einer weniger obszönen Geschichte umgewandelt. Wie aber schon bei Drakengard, sind nun auch bei Drakengard 3 diese Themen deutlich genug impliziert, um zu verstehen, worum es eigentlich wirklich geht.
Ist die Story nun gut? Genau da scheiden sich die Geister. Das Spiel tut sich keinen Gefallen damit, über die Hälfte des für die Geschichte relevanten Inhalts hinter Ende A und darüber hinaus zu verstecken. Nach dem Erreichen von Ende A grüßt nämlich zum ersten Mal der Abspann – aber alles, was der Spieler bis dahin über Zero erfahren hat, war, dass sie ihre lieben Schwestern auf grausame Art und Weise ermordet und sie offenbar kein Problem mit Männern hat. Erst mit Branch C und somit dem Ende C erfährt der Spieler etwas mehr über Zeros Motive und die Mordserie wirkt ein wenig gerechtfertigter. Branch D schreit dann gerade zu: „Hey, ich bin das Spiel, auf das ihr alle gewartet habt!“ und weiß absolut zu überzeugen. Obwohl ich mit der Erzählweise von Drakengard und seinen multiplen Endings vertraut bin, frage ich mich bisweilen, warum nicht gleich auf eine konsistent erzählte und aufeinander aufbauende Geschichte geachtet worden ist. Stattdessen wurde die Story in Branches & Endings aufgeteilt, was die Story ein wenig fragmentiert wirken lässt. So war sicherlich für viele Tester bereits nach Ende A und seinem Abspann Schluss.
Wer bereit ist hinter die Fassade von Drakengard 3 zu blicken, der wird allerdings bald feststellen, dass es sich hierbei abermals um eine überaus gut durchdachte und bewegende Geschichte handelt, die es absolut wert ist erlebt und gespielt zu werden. Alle Charaktere haben es am Ende geschafft, mir auf die eine oder andere Weise am Herzen zu liegen, ganz gleich welche krankhaften Eigenschaften sie besaßen. Dazu tragen nicht zuletzt die diversen Kurzgeschichten zu Drakengard 3 bei, welche ich allen Spielern der Serie nur ans Herz legen kann. Generell scheint das Erlebnis Drakengard über das eigentliche Spielerlebnis hinaus zu gehen. Dies mag nicht jedermanns Sache sein – meinen Nerv trifft es aber genau. Wer kennt nicht das traurige Gefühl ein geliebtes Spiel beendet zu haben?
Apropos Fassade, in der technischen Abteilung von Drakengard 3 scheint sich das eng geschnürte Budget bemerkbar zu machen. Mit schwammigen Texturen, Tearing, vereinzelten Framerate-Einbrüchen sowie Rucklern ist Drakengard 3 wahrlich kein Paradebeispiel für die gewohnt gute grafische und technische Qualität von Square-Enix-Spielen. Für mich war die Grafik allerdings schon immer nur ein Mittel zum Zweck und der Zweck bei diesem Spiel ist nun einmal die Präsentation der Story. Diesen Zweck hat die auf der Unreal Engine basierende Grafik von Drakengard 3 erfüllt. Die Zwischensequenzen sind durchaus schön anzusehen und was den Rest betrifft, so muss sich der Spieler auch nicht wirklich um sein Augenlicht sorgen. Im Großen und Ganzen reichen sowohl Performance als auch Grafik für einen angenehmen Spieldurchlauf mit stellenweisem Schluckauf.
Was den akustischen Teil von Drakengard 3 betrifft, gibt es nichts zu beanstanden, sondern zu loben. Unter Keiji Okabe, oft gerühmt für die Arbeit an dem Soundtrack von Nier, ist ein Soundtrack entstanden, der das Erbe von Nier würdig zu vertreten weiß. Wer allerdings überwiegend gewohnte Klänge aus Nier erwartet, wird wohl ein wenig enttäuscht sein, denn Yoko Taro wies Keiji Okabe an, den Soundtrack von Drakengard 3 bewusst anders klingen zu lassen als jenen von Nier. Was die Ohren des Spielers in Drakengard 3 erwartet, ist ein grandioses Gesamtpaket aus Klängen die sowohl an das originale Drakengard und an Nier erinnern. Hinzu kommt eine für die Spieleserie völlig neue Komponente: die rockig-elektronischen Klänge der Boss Tracks. Unbedingt muss ich an dieser Stelle darauf eingehen, dass der Soundtrack von Drakengard 3 in zwei „Zustände“ unterteilt werden kann. Zum Einen haben wir die normalen Stage Tracks ohne und zum Anderen die Stage Tracks mit Lyrics. Die Stage Tracks mit Lyrics setzen erst ein, wenn Zero die Kraft des Gesanges nutzt, um in den Intoner-Modus zu wechseln. Dies verinnerlicht grandios das zentrale Thema von Drakengard 3: singende Göttinnen die ihre Kraft aus dem Gesang beziehen.
Als eine kleine Randnotiz sei erwähnt, dass Spieler, die auf die japanische Tonspur verzichten oder verzichten müssen, ein etwas anderes Spiel spielen. In der englischen Tonspur klingen alle Charaktere, als wären sie dauerhaft gereizt und selten kommt etwas aus ihrem Mund, das nicht vulgär klingt. Gerade Zero wirkt wie eine frustrierte Prostituierte, die nichts weiter zu tun hat, als sich zu beschweren. In der japanischen Tonspur wird aber schnell klar, dass sie auch eine sanfte Seite besitzt, die in der englischen Tonspur eigentlich kaum zum Vorschein kommt und ihren Charakter, so wie er ersonnen wurde, oftmals verfälscht. Weitere Beispiele dafür sind Cent und Mikhail. Cent ist der bei weitem nervigste Charakter, den ich in einem Videospiel getroffen habe, im englischen klingt er dafür allerdings viel zu „cool“ und normal. Mikhail auf der anderen Seite ist so zuckersüß, dass ich davon Diabetes bekomme – was ich von seinem englischen Pendant nicht behaupten kann. Die englische Tonspur ist keinesfalls schlecht geworden, sie ist allerdings auch nicht sonderlich akkurat.
Im Vergleich zu seinen Vorgängern Drakengard und dem Spin-Off-Titel Nier ist der zuvor erwähnte Intoner-Modus die wohl größte Veränderung im Gameplay von Drakengard 3. Badet Zero während des Gemetzels im Blut ihrer Gegner, hat sie die Möglichkeit, dieses für die Kraft ihres Gesanges zu absorbieren. Zero wechselt dann in eine Art „Berserker“-Modus, in dem sie praktisch unaufhaltsam ist, was sich nicht zuletzt in der Psyche der gegnerischen Soldaten niederschlägt – denn diese sinken vor Furcht zu Boden oder kriechen demoralisiert davon, was aber kein Problem darstellt, denn größere Entfernungen überbrückt Zero in diesem Modus durch Sprünge und Teleportationen.
Für diesen Modus mussten offenbar das Waffen-Magie-System aus Drakengard 1 & 2 sowie die Magie von Nier gänzlich weichen. Kompensiert wird dies bis zu einem gewissen Maße durch die vier Waffenarten und das Waffenrad, welches den flüssigen Wechsel von Waffen, auch innerhalb von Combos ermöglicht. Das Wechseln zwischen Schwert, Speer, Chakram und Faustwaffe führt so zu interessanten Kombinationsmöglichkeiten. Während das Schwert Zeros Universalwerkzeug darstellt, das am besten zum Einsatz kommt, wenn sie von Feinden umringt ist, sind Speere und Faustwaffen eher für einzelne und größere Gegner geeignet, das Chakram kommt zum Einsatz, wenn weit entfernte Gegner getroffen werden sollen. Zudem spielt sich jede Waffe, die Zero findet oder erwirbt ein wenig anders als andere Waffen gleicher Gattung. Ein Speer kann so zum Beispiel einen äußerst nützlichen Hagel an kontinuierlichen Stoßbewegungen vollführen, während ein anderer Speer hier lediglich eine aufladbare und schwer unterzubringende Attacke zu bieten hat. Dies fördert das Experimentieren und vor allem das Upgrade-System. Jede Waffe kann bis zu drei Mal aufgewertet werden, um ihr Maximallevel von 4 zu erreichen, dadurch gewinnt die Waffe nicht nur an Durchschlagskraft, sie ändert auch ihr Aussehen und der Spieler hat zusätzlich die Möglichkeit, sich ihre spannende und bedrückend düstere Waffengeschichte durchzulesen – was zusätzlich zum Sammeln aller Waffen und dem Aufwerten motiviert.
Zusätzlich wird Zero am Boden von ihren Aposteln „unterstützt“… Zumindest verbal… Obwohl… Sagen wir, sie leisten ihr Gesellschaft – zu viel mehr sind diese computergesteuerten Begleiter leider nicht zunutze. Wenn sie nicht gerade wahnwitzig durch die Gegend hüpfen oder gegen Wände rennen, sind sie einfach nur „da“ und versuchen beschäftigt und vor allem nützlich auszusehen. Vor jeder Mission kann Zero zwei Begleiter wählen. Die Dialoge sind allerdings immer dieselben, ganz gleich, ob einer der Apostel anwesend ist oder nicht. Immerhin machen sie die sich ständig wiederholenden Spielabschnitte und das repetitive Gameplay mit ihren Dialogen durchaus unterhaltsam, denn letztendlich verläuft das ganze Spiel in diesem Muster: Zero betritt einen Raum > Zero wird eingesperrt > Zero tötet alle Gegner > Zero verlässt den Raum… Nur um kurz darauf wieder mit Gegnern eingesperrt zu werden. Den Entwicklern ist dies bewusst, denn Zero und ihre Gefährten parodieren dieses Spielsystem mit einigen genervten Kommentaren. Den Dialogen und dem simplen, aber spaßigen Kampfsystem sei Dank wurde mir das Spielsystem in rund 30 Spielstunden nicht einmal überdrüssig.
Wer dem Schwestermorden irgendwann doch einmal überdrüssig wird, kann sich zudem mit Accords Requests beschäftigten, um Items und jede Menge Gold zu verdienen – Gold, das ihr benötigen werdet, um eure Waffen aufzurüsten. In sämtlichen Requests geht es darum, bestimmte Items für Accord zu besorgen. Erschwert werden diese Botengänge durch knackige Zeitlimits und Restriktionen in der Waffenauswahl. Wem das Spiel ansonsten zu leicht ist, findet hier die eine oder andere Herausforderung.
Kommen wir jetzt aber zum Markenzeichen der Drakengard Serie! Dem Drachen. Leider komme ich hiermit zu dem größten Kritikpunkt an Drakengard 3. Während es in Drakengard 1 & 2 eher eine Ausnahme war, dass der Spieler von seinem Drachen getrennt war und er ihn zudem überall im Feld rufen konnte, gestaltet sich das ganze System in Drakengard 3 leider äußerst mager. Zero ist zu großen Teilen mit ihren Aposteln auf Bodenmissionen unterwegs und von ihrem Drachen getrennt, zudem kann sie Mikhail nicht frei rufen, wie es Caim und Nowe in früheren Titeln taten. Kein Wunder, dass sich der kleine Mann jedes Mal so freut, wenn man ihn braucht, denn Mikhail kann nur durch bestimmte blaue Kreise in gewissen Situationen gerufen werden. Dies nahm mir ein wenig das überlegene Gefühl, das ich in vorangegangenen Teilen hatte.
Das wäre alles halb so wild, wenn die Action auf dem Drachen nicht viel zu kurz käme. Die Bosskämpfe finden zwar überwiegend auf dem Rücken eines Drachens statt, aber Luft-Missionen und Luft-Boden-Missionen sind eine Seltenheit. Während es in Luft-Boden-Missionen endlich möglich ist, auch mit dem Drachen zu landen und am Boden Schaden unter den feindlichen Truppen anzurichten, wurde in den Luft-Missionen deutlich abgespeckt. Mikhail kann sich in Luft-Missionen lediglich innerhalb einer vorgegebenen Flugbahn bewegen, was ein wenig an einen Rail Shooter in der Luft erinnert. Unterstrichen wird dieser Rail-Shooter-Aspekt zudem durch den „Perfect Bonus“, welchen Mikhail erlangt, wenn er auf einer Flugstrecke alle Monster vom Himmel holt. Zudem ist es bedauerlich, dass man nur noch kleineren Ansammlungen an Gegnern gegenübersteht. Während man sich in Drakengard inmitten von bis zu 1000 gegnerischen Einheiten wiederfand, muss man sich in Drakengard 3 plötzlich mit einer äußerst mageren Anzahl an Gegnern zufrieden geben, welche selten die 100 erreichen oder übersteigen – Der Spaß ist quasi bereits vorbei, wenn er beginnt.
Fazit
Drakengrad 3 ist kein Spiel für jedermann und das will es offenbar auch gar nicht sein. Selten habe ich ein Spiel erlebt, das sich scheinbar so wenig darum kümmert, was man von ihm hält und dann darüber noch Witze macht. Drakengard 3 spricht offenbar eine ganz bestimmte Art von Spielern an und wird niemals die Anzahl an Fans erreichen, mit denen sich Final Fantasy und andere große Vertreter der Branche brüsten können, aber dennoch möchte ich das Spiel jedem ans Herz legen, der auf der Suche nach einer erfrischend anderen, etwas düsteren und gleichermaßen tragischen Geschichte ist, welche nicht davor zurückschreckt, auch ein wenig Humor einzubringen.
Story: Eine pikante Mischung aus Brutalität, Humor und sexuellen Themen sorgt für eine bemerkenswert groteske Story, die sich deutlich von der Konkurrenz zu unterscheiden weiß. Unmengen an Kurzgeschichten, die kein Teil des Spieles sind, bauen das Universum weiter aus.
Grafik: Aufgrund schwammiger Texturen nicht besonders hübsch, erfüllt aber seinen Zweck, ohne dem Spiel ernsthaft zu schaden. Technische Macken, wie Framerate-Einbrüchen, Tearing oder Ruckler trüben bisweilen das Spielgefühl, stören im Großen und Ganzen aber relativ wenig. Cutscenes sind dennoch schön anzuschauen.
Sound: Ein Soundtrack, der das Erbe von NieR würdig vertritt, ohne diesen dabei zu imitieren und darüber hinaus noch das Grundkonzept der Story zu unterstreichen weiß: der Kampf zwischen singenden Göttinnen.
Gameplay: Spaßiges, wenn auch etwas repetitives Gameplay mit deutlich zu wenig und zu stark abgespeckten Flugmissionen. Zu wenig Gegner, die zu schnell tot sind, um wirklich gefährlich zu werden. Durchweg positiv sind das Waffenrad und die Unterschiede zwischen den Waffen. Verfügt zudem über ein motivierendes Waffenupgrade-System.
getestet von Judge
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